Helen Körte und das Ensemble 9. November zu Gast

von Redakteur

Gespräch mit einer Zeitzeugin

Das Gespräch wurde von zwei Schülern aus der 9c moderiert. Frau Körte war in Begleitung von ihrem „Bodyguard“, wie sie lachend sagte. Sie bildet mit ihrem Partner, dem Frankfurter Künstler und PhilosophenWilfried Fiebig, das Ensemble 9. November (E9N), eine Theaterkompanie, die literarische Texte, Choreographien, kleinere Theaterstücke und Musik gestaltet, vor allem zum Thema Nationalsozialismus. Ihre zweite Begleitung war die Schauspielerin Simone Greis, mit der sie schon in sehr vielen Inszenierungen zusammengearbeitet hat.

Zunächst erzählte Frau Körte uns von ihrer Vergangenheit und ihrer persönlichen Geschichte. Sie selbst wurde als Tochter jüdischer Eltern in einer Sommernacht während des Krieges in Belgien geboren. Um ihre Kinder vor den Nazis zu retten, versteckten ihre Eltern sie und ihre Schwester in einem Nonnenkloster in der Nähe von Antwerpen, wo sie in einer Gruppe von sieben Kindern mit 40 Nonnen zusammenlebte.

Helen Körte beschrieb, dass es sehr lange gedauert habe, bis sie selbst sich ihrer Umstände und der Dinge, die um sie herum passierten, bewusst geworden sei. Als Kind verstehe man sehr wenig von alledem. Im Kloster lebten die Kinder in ständiger Angst, verhaftet zu werden, auch wenn sich die Nonnen darum bemühten, ihnen die Angst zu nehmen. Dennoch verbinde Frau Körte ihre Kindheit mit vielen positiven Erinnerungen. Obwohl die Gestapo immer wieder nach den Kindern gefragt habe, hätten sie doch jedes Mal Glück gehabt und entkamen dem Schicksal vieler anderer jüdischer Kinder, die während des Nationalsozialismus verfolgt und ermordet wurden.

Nach Kriegsende wurde Helen Körte kurz adoptiert. In der neuen Familie fühlte sie sich aber nie wirklich wohl und beschrieb die Zeit als Jahre der Kälte und Einsamkeit. Sie kam wieder zurück in das Kloster. Kurz vor ihrem 20. Geburtstag habe sie erfahren, dass sie in Amerika noch Verwandte habe, woraufhin sie dorthin gezogen sei. Später ging es nach Kanada, wo sie sechs Jahre lebte und drei Kinder bekam. Weil sie Sehnsucht nach Europa gehabt habe, sei sie allerdings wieder dorthin gezogen. Zunächst lebte Helen Körte in München, wo sie Literatur unterrichtete, und später in Frankfurt. Ab 1988 arbeitete sie außerdem als Theaterregisseurin. Seit 30 Jahren bildet sie das E9N, das Ensemble 9. November, mit dem sie etwa 40 Theaterstücke inszeniert und Gastspiele unter anderem in Moskau, Athen und Wien gegeben hat. Das Gallustheater in Frankfurt war und ist weiterhin der Uraufführungsort des E9N.

Zum Schluss ihres Berichts betonte Frau Körte, dass es ihr immer ein Anliegen war, kein kleiner Punkt in einerzerstörten Kriegslandschaft zu sein. Ihr sei wichtig gewesen, dass ihre Eltern, die sie abgaben, um ihr Leben zu retten, stolz auf sie gewesen wären.

Nach ihren Erzählungen gab es Zeit für Fragen, zum Beispiel die nach einer Botschaft, die sie unserer Generation mitteilen wolle. Für Frau Körte muss man ein Bewusstsein für seine Mitmenschen haben und humanistisch handeln.

Der zweite Teil der Veranstaltung drehte sich um Frau Körtes künstlerisches Schaffen. Die begleitendeSchauspielerin Simone Greis las einen Text aus einem Theaterstück vor, das für acht Frauen, ein Orchester und eine Sängerin konzipiert ist. In dem Textauszug über das Frauenorchester in Auschwitz ging es unter anderem um einen jüdischen Jungen mit „arischem“ Aussehen, mit dem die SS-Männer spielten und dem sieSüßigkeiten gaben. Eines Tages war er einfach nicht mehr da …

Zum Schluss las Frau Körte noch aktuelle Gedichte vor, die sie für ihre drei Kinder verfasst hat.

Für uns war dieses Gespräch eine sehr prägende Erfahrung. Wir, die wir noch die Chance haben, den letzten Überlebenden des Holocaust im persönlichen Gespräch zu begegnen, sind Frau Körte sehr dankbar. Am meisten hat uns beeindruckt, dass Frau Körte trotz ihrer schrecklichen Kindheitserfahrungen eine wahre Humanistin und Optimistin geblieben ist, die uns voller Humor, Weltoffenheit und Menschenliebe begegnete!

Die Klasse 9c der Eleonorenschule Darmstadt und ihr Geschichtslehrer Herr Noback

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